USA-Experte Weiß: "Trump bedient ein Messias-Narrativ"
Wien, 13. März 2025 | Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus markiert nicht weniger als eine politische und gesellschaftliche Zeitenwende, die auch religionspolitische Implikationen hat. Zu diesem Urteil gelangte der Salzburger Theologe und USA-Experte Andreas G. Weiß am Mittwochabend bei einem Vortrag in der AKADEMIE am DOM in Wien. Unter dem Titel "God's lost country? Zur Agenda Donald Trumps" analysierte Weiß die ideologischen und religiösen Dimensionen des neuen politischen Kurses des US-Präsidenten – und warnte vor den Folgen für Europa und die Demokratie weltweit.
Weiß, Direktor des Katholischen Bildungswerks Salzburg und mehrfacher Buchautor, kennt das politische und religiöse System der USA aus nächster Nähe. Während seines Studiums der Theologie und Religionswissenschaft u.a. in den USA beschäftigte er sich intensiv mit dem Verhältnis von Religion und Politik in Amerika.
Trump sei nicht nur ein politisches Ereignis, sondern Ausdruck einer religiös aufgeladenen Sehnsucht nach Erlösung, die er gerade in der konservativen christlichen Mittelschicht bediene: "Trump bedient ein Messias-Narrativ. Er gibt sich als Außenseiter, der sich in die Höhle der Löwen begibt, um aufzuräumen und die Ordnung wiederherzustellen." Dabei reiche seine Inszenierung von Robin-Hood-Elementen bis hin zu mythologischen Erlösungsversprechen.
Dazu passe weiters die Selbstinszenierung als Opfer (dem angeblich die Wahl 2020 "gestohlen" wurde) und als Auserwählter bzw. Märtyrer, dem selbst ein Attentat wie jenes im Wahlkampf 2024 nichts anhaben konnte. Ob öffentlichkeitswirksame Inszenierung mit Bibeln in der Hand, dem Eintreten für schärfere Abtreibungsgesetze oder eine traditionelle Familienpolitik: Trump bespiele geschickt die Anliegen der konservativen Kreise, er mache einzelne Zugeständnisse, jedoch nicht ohne sich stets eine Hintertür offen zu halten, so Weiß. Dies entspreche seiner Mentalität und seinem neuen Polit-Stil des "Dealens".
Dabei sei die Instrumentalisierung der Religion kein exklusiv amerikanisches Phänomen: Auch in Europa und anderen Teilen der Welt sei zu beobachten, dass populistische Bewegungen das religionspolitische Vakuum der etablierten Parteien nutzten. Beispiele reichten von der AfD in Deutschland über die FPÖ in Österreich bis zu Viktor Orbán in Ungarn und Narendra Modi in Indien. "Es ist gefährlich, wenn Religion nur noch von einer politischen Richtung besetzt wird", warnte Weiß. Es brauche ein Mehr an Demokratiebildung und eine "religionssensible Wahrnehmung" der Situation, um solchen Entwicklungen entgegenzuwirken.
"Mit Trump ist ein neuer Typus von Politik und Politikern aufgetaucht – es wird auch alternative Gegenentwürfe brauchen, um ihm eine wählbare Alternative gegenüberzustellen", so Weiß abschließend. Hier wäre es falsch, die Wählerschaft in ihren Sorgen und Nöten nicht ernstzunehmen: "Trump kann offenbar eine kommunikative Ebene einschlagen, die den Anliegen der Menschen entspricht. Demokraten weltweit haben derzeit größte Probleme, solche Alternativen kreativ aufzustellen. Doch ist dies notwendig, um dem Ereignis Trump entgegentreten zu können."
Vortragender:
Andreas G. Weiß, geboren 1986, ist Direktor des Katholischen Bildungswerks Salzburg, Autor zahlreicher Publikationen zu Politik und Religion und lehrte unter anderem an der Missouri State University in den USA.