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Erschienen in: theologie aktuell | Ausgabe 2 - Jahrgang 2024/25
In das Thema "Arianismus" kann man gut mit theologischen Fragen einsteigen, die sich alle dem vorweltlichen Dasein von Jesus Christus vor seiner Menschwerdung widmen: Ist Jesus Christus selbst Gott? Ein zweiter Gott? Oder als Sohn Gottes einfach irgendwie göttlich? Wenn er selbst Gott oder irgendwie göttlich ist, wie kam es dazu? Beziehungsweise woher kommt Christus? Aus Gott, dem Vater, selbst? Wenn ja, war er dann in, neben oder unter Gott, bevor er Mensch wurde? Wie kann er aus Gott, dem Vater, stammen, ohne das Wesen oder die Einheit oder die Einzigartigkeit des Vaters zu beeinträchtigen? Darf man hier von "Zeugung" sprechen, wie die Bezeichnungen "Vater" und "Sohn" nahelegen? Und ist da mit ein Vorher und ein Nachher mitzudenken, sodass Gott, der Vater, genau genom men zunächst ohne Sohn war?
Allerdings gibt es ein erkenntnistheoretisches Problem: Wie kann man diese Fragen überhaupt beantworten? Kann ein Mensch zutreffende Aussagen über das Wesen Gottes und seines Sohnes formulieren? Wenn ja, auf Basis welcher und wie gewonnener Erkenntnisse? Auf Grundlage welcher Texte?
Diese Fragen illustrieren, womit in der ersten Phase des sogenannten "arianischen" Streits vor dem ersten ökumenischen Konzil von Nizäa 325 n.Chr. gerungen wurde. Als lokaler Streit in Alexandrien zwischen dem schon hochbetagten Presbyter Arius und seinem Bischof Alexander begonnen, weitete der Streit sich nach der Verurteilung des Arius in Alexandrien über Ägypten hinaus in den gesamten Osten des Römischen Reichs aus, sodass sich dieser Streit zu der größten Auseinandersetzung im Christentum der Spätantike entwickelte. Ab den 350er-Jahren kam die dritte göttliche Person, der Heilige Geist, in die Diskussion hinzu, sodass eigentlich erst dann von einem "trinitarischen" Streit gesprochen werden kann.
Aus heutiger Perspektive mag es erstaunen, dass über die Trinität im 4. Jh., regional sogar bis zum 6. Jh., so ausdauernd debattiert wurde. Die vielen überlieferten Briefe, theologischen Erklärungen, kaiserlichen Erlasse, Synodalschreiben, Gesetzestexte und längeren Streitschriften haben ihn überdies zu einem außerordentlich gut dokumentierten Streit anwachsen lassen; denn schon damals haben die Kombattanten regelrechte Aktensammlungen angelegt, um jederzeit kraftvolle Belege für die eigene Position zur Hand zu haben. Die bald vollständig publizierte moderne kritische Edition der relevanten Briefe, Synodalbeschlüsse und Gesetze wird gut 1500 Seiten umfassen.
Zwei wichtige Gründe können die Brisanz des Streits erklären: Zum einen handelt es sich ohne Zweifel um eine zentrale Frage für Christen: Wer war oder ist Jesus Christus? Zum anderen fällt die eher zufällige historische Gleichzeitigkeit mit der sogenannten konstantinischen Wende ins Gewicht. So wurden innerkirchliche Angelegenheiten politisch relevant. Zunächst beendete Kaiser Galerius kurz vor seinem Tod im Jahr 311 die letzte große Christenverfolgung und erklärte das Christentum zu einer erlaubten Religion. Unmittelbar darauf erweiterte der erste christliche Kaiser Konstantin (gest. 337) seine Macht, als er im Jahr 312 durch seinen Sieg über Maxentius vor den Toren Roms Alleinherrscher im Westen wurde. Sein Sieg über Licinius im Osten im Jahr 324 bescherte ihm die Alleinherrschaft im Römischen Reich. Konstantin unterstützte die christliche Kirche, betrachtete aber das Zerwürfnis in der griechischen Kirche des Ostens aufgrund des Streits um die Ansichten des Arius als ein Ärgernis, das die kirchliche Einheit und den Frieden im Reich gefährdete. So setzte er gleich im Jahr 324 ein Mahnschreiben auf mit dem dringenden Rat zur gütlichen Einigung. Dies Streit um Arius gefährdete den Frieden im Reich übermittelte ein Gesandter an den Presbyter Arius und den alexandrinischen Bischof Alexander. Das lief jedoch ins Leere und so wurde der Streit auf die Tagesordnung der von ihm einberufenen bischöflichen Generalsynode gesetzt, dem später sogenannten Ersten Ökumenischen Konzil von Nizäa im Frühsommer 325. Dort wurde tatsächlich die alexandrinische Verurteilung des Arius bestätigt. Denn seit Konstantin wollten die Kaiser, als pontifex maximus auch zu ständig für Religionsangelegenheiten, für den Reichsfrieden die Einheit der Kirche bewahren und kirchliche Zerwürfnisse bis hin zu Schismen bereinigen.
Aus heutiger Perspektive waren mehrere Faktoren entscheidend:
Bekenntnisse: Einerseits durch die be kannten Glaubensbekenntnisse, das Nicaenum von dem Ersten Ökumenischen Konzil von Nizäa im Jahr 325 und die erweiterte Neufassung im Nicaeno-Konstantinopolitanum. Letzteres wurde dem Zweiten Ökumenischen Konzil von Konstantinopel im Jahr 381 zugeschrieben, aber es stammt eventuell auch erst von einer der Nachfolgesynoden in Konstantinopel zwischen 381 und 383. In diesen und auch anderen Bekenntnissen wurde der christliche Glaube auf knappe Formeln gebracht, inklusive pointierter antihäretischer Formulierungen als Quintessenz der Debatten.
Anathematismen: Ergänzt wurden diese Bekenntnisse noch durch Anathematismen, das sind kurze gegnerische Thesen, die als häretisch verdammt wurden.
Gesetze: Daneben gibt es kaiserliche Gesetze sowie personalpolitische Entscheidungen inklusive Absetzungsbeschlüssen, sodass der Streit auch zu diversen Exilierungen führte - das war damals die härteste Strafe; Todesurteile wurden nicht aus gesprochen.
Synoden und Konzile: Synoden auf regionaler oder Provinz-Ebene sind seit dem Ende des 2. Jh. bekannt. Es war eine Innovation Konstantins, diese zu einer reichsweiten Großveranstaltung auszuweiten, gedacht auch als Bühne für seine Selbstdarstellung als christlicher Kaiser. Zwischen Nizäa 325 und Konstantinopel 381-383 liegt allerdings eine ganze Reihe von kirchlich-regionalen und kaiserlich-reichsweiten Synoden, welche die Wendungen und neuen Detailfragen im trinitarischen Streit belegen. Denn die Entwicklung lief mitnichten gradlinig auf das "neue Nizänum" von Konstantinopel 381-383 zu.
Historiografie: Die spätere Wahrnehmung des Streits wurde wesentlich von längeren Traktaten und historischen Darstellungen im Rahmen der spätantiken Kirchenge schichten geprägt. Sie präsentieren selbst verständlich die Perspektive der "Sieger" des Streits und werden den Ansichten der ausgegrenzten Häretiker nicht gerecht. Die Forschung der letzten Jahrzehnte hat sich intensiv darum bemüht, hinter die Kulissen dieser tendenziösen Darstellungen zu schauen und dem Anliegen der "Verlierer" besser gerecht zu werden.
Polemik: Der damaligen Rhetorik entsprechend wurde mit durchaus aggressiver Polemik nicht gespart; Diffamierungen auf allen, auch sehr persönlichen Ebenen kleiden die Beschreibungen häretischer Lehren ein. Gerne wurde mit Unterstellungen gearbeitet, die dem Gegner Konsequenzen aus seinen Thesen vorwerfen, die er gar nicht gemeint hatte. Zu beachten ist nämlich, dass Arius schon bald, insbesondere von Bischof Alexander, Aussagen angelastet wurden, die er selbst in dieser Form nicht vertreten hatte: Er halte angeblich den Sohn Gottes für ein reines und wandelbares Geschöpf, dem es daher an göttlicher Qualität mangele, mithin schlicht für einen Menschen. Dieser Mensch Jesus sei allein aufgrund seiner Lehren und seines vorbildlichen Lebenswandels von Gott, dem Vater, quasi adoptiert und als Sohn angenommen worden. Dieses Konstrukt eines "Arianismus" entwickelte sich schnell zu einem beliebten Mittel der Polemik: Anhänger des Konzils von Nizäa 325 unterstellten Andersdenkenden "Arianismus", um sie als Häretiker bloßzustellen und ihre Verurteilung zu fordern. Besonders Athanasius, Bischof von Alexandrien (328-373) und Nachfolger des Alexander, wendete dieses Argumentationsmuster immer wieder an, obwohl die von ihm Kritisierten sich selbst keineswegs als Anhänger des Arius verstanden oder das sogar heftig zurückwiesen.
Arius (gest. nach 327), ein philosophisch gebildeter Libyer, war ein selbstbewusster Presbyter Alexandriens und überregional gut vernetzt mit Kontakten zu angesehenen Bischöfen wie Eusebius von Cäsarea, Paulinus von Tyrus und Eusebius von Nikomedien. Er war überzeugt davon, in der recht gläubigen Tradition der Kirche zu stehen und theologische Formulierungen seines Bischofs Alexander kritisieren zu dürfen. Und in der Tat lassen sich seine Ansichten auf frühere Theologen, insbesondere auf Aussagen der alexandrinischen Theologen Origenes und Dionys von Alexandrien aus dem 3. Jh., zurückführen.
Wahrscheinlich entzündete sich der Streit zwischen Arius und Alexander an der christologischen Auslegung eines Verses im biblischen Sprüchebuch (Spr 8,22), wo die präexistente "Weisheit" über sich spricht: "Der Herr hat mich geschaffen am Anfang seiner Wege zu seinen Werken." Für Arius war dieser Vers ein Hinweis darauf, dass Gott, der Vater, die Quelle und der Urheber allen Seins, den Sohn zwar vor allen Zeiten, aber dennoch einmal geschaffen habe. Da her könne er keinesfalls genauso ewig sein wie der Vater. Der Sohn habe also einen Anfang und habe zuvor nicht existiert. Arius wollte die Art und Weise der Entstehung des Sohnes aus dem Vater klären. Der Sohn ist für Arius zwar ein Geschöpf, aber selbstverständlich nicht eines wie die übrigen Geschöpfe der Welt, sondern ein besonderes, vollkommenes Geschöpf, ein vollkommenes Erzeugnis des Vaters: Denn der Sohn ist der Schöpfungsmittler, durch den Gott die Welt geschaffen hat. Arius wollte vermeiden, von dem Begriff "Sohn" auf körperliche Zeugungsvorgänge bei Gott zu schließen oder den Sohn als Teil, Ausfluss oder Abspaltung des Vaters zu verstehen. Der Vater sei ewig gleichbleibend und unwandelbar, gebe daher nichts von sich selbst oder aus seinem Wesen an den Sohn ab - denn das hätte auch ihn selbst verändert. Der Vater stehe über dem Sohn und rufe ihn nach seinem Willen aus dem Nichts ins Dasein. Arius betonte, dass der Sohn ebenso unveränderlich und unwandelbar sei wie der Vater, also keineswegs eines der übrigen Geschöpfe.
Genau dieser Punkt wurde jedoch in der Verurteilung des Arius übergangen, sodass ihm unterstellt wurde, er betrachte den Sohn als reines irdisches Geschöpf, wie die übrige Schöpfung. Da Arius die Vokabeln "zeugen" und "schaffen" ohne Bedeutungsunterschied benutzte, konnte aus einzelnen seiner Formulierungen leicht diese Konsequenz gezogen werden.
Arius kritisierte seinen Bischof: Alexander rücke den Sohn zu eng an Gott, den Vater, heran, wenn er ihn als "ewig aus dem Vater gezeugt" beschreibe, denn dann müsse er entweder die eine Gottheit teilen oder zwei gleichwertige ewige Prinzipien ein führen. So war er keinesfalls bereit, die eigene Verurteilung durch seinen Ortsbischof Alexander auf einer innerägyptischen Synode von etwa 100 Bischöfen zu akzeptieren. Er nutzte seine Kontakte und mobilisierte eine Protestbewegung, die den Streit weit über die Grenzen Ägyptens hinaustrug. Synoden in Palästina (Euseb von Caesarea, gest. 339/340) und Bithynien (Euseb von Nikomedien, gest. 341) plädierten dafür, die Exkommunikation des Arius aufzuheben, aber Alexander weigerte sich, den Beschluss der ägyptischen Synode zurückzunehmen, was er seinerseits in Rundbriefen bekannt gab. Das oben erwähnte Schreiben des Kaisers Konstantin kam damit schlicht einige Jahre zu spät; der Streit war keine inneralexandrinische Debatte mehr.
Außer der Verurteilung des Arius einigten sich die Bischöfe des Konzils von Nizäa auf eine theologische Erklärung, das Bekenntnis von Nizäa (Nicaenum), wo es heißt: "Wir glauben ... an den einen Herrn Jesus Christus, den Sohn Gottes, gezeugt aus dem Vater als Einziggeborener, das heißt aus dem Wesen des Vaters, Gott aus Gott, Licht aus Licht, wahrer Gott aus wahrem Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater, durch welchen alles wurde ..." Diese enge Anbindung des Sohnes an den Vater, ausgedrückt mit "wesenseins" und "aus dem Wesen (Usia) des Vaters", ergänzten die Bischöfe durch eine kurze Reihe von Anathematismen, die Grundlage dessen, was forthin als "Arianismus" betrachtet wurde:
Die, die aber sagen "es war einmal, dass er nicht war" und "bevor er gezeugt wurde, war er nicht" [Zeitpunkt der Entstehung des Sohnes] und "er wurde aus Nichts" oder aus einer anderen Hypostase [Person] oder einem anderen Wesen [Herkunft des Sohnes], oder die sagen, der Sohn Gottes sei geschaffen oder wandelbar oder veränderlich [Geschöpflichkeit bzw. Wesen des Sohnes], die verdammt die katholische und apostolische Kirche.
Nach Nizäa 325 hat kein spätantiker Theologe oder Bischof "Arianismus" vertreten - alle Beteiligten distanzierten sich von dieser Form des "Arianismus". Das Etikett "Arianer" lebte aber als Unterstellung weiter, indem anderen Personen angelastet wurde, "Arianismus" zu vertreten, also Anhänger einer schon verurteilten Häresie zu sein.
Besonders einer Gruppierung wurde später "Arianismus" vorgeworfen, die nach der modernen Forschung korrekter als "Homöer" zu bezeichnen ist - eine theologische Richtung, die mit einem Neuansatz den trinitarischen Streit entwirren wollte. Denn in Nizäa 325 hatte man sich zwar darauf geeinigt, dass Christus eindeutig auf die Seite Gottes, nicht der Geschöpfe gehöre, aber die Frage der Einheit und des Zusammenwirkens der göttlichen Personen blieb unbeantwortet. Diese wurde mithilfe des griechischen Begriffs "Hypostase" diskutiert: Ist das göttliche Wesen besser in einer Hypostase oder in drei Hypostasen zu beschreiben? Liegen die Hypostasen sozusagen auf einer Ebene oder gibt es eine Hierarchie bzw. Subordinierung? Wirken sie gemeinsam auf Basis einer Wesenseinheit oder einer Willenseinheit?
Leider führte die für das Jahr 343 von den beiden Konstantinsöhnen Konstans (gest. 353) und Konstantius (gest. 361) an gesetzte Synode von Serdica zu keiner Lösung, sondern im Gegenteil zu einer reichsweiten Kirchenspaltung. Der neue Ansatz der Homöer, von Konstantius seit dem Ende der 350er-Jahre gefördert, nachdem er wie sein Vater Alleinherrscher im Reich geworden war, sah deswegen vor, in trinitarischen Aussagen auf die Begriffe "Wesen" und "Hypostase" zu verzichten, da sie so umstritten und überdies unbiblisch seien. Schon auf der Synode in Nizäa 325 hätten die Bischöfe unvorsichtigerweise den Be griff "wesenseins" benutzt. Kein Mensch könne jedoch Gottes Wesen oder Hypostase erkennen oder definieren. Man möge sich darauf beschränken, den Sohn schlicht als dem Vater "gleich" (griech. homoios) zu bezeichnen (Beschlüsse der Synoden von Rimini und Seleucia 359). Daher werden die Vertreter dieser Lösung in der Forschung "Homöer" genannt.
Allerdings stellt diese Lösung für Athanasius und andere Theologen, insbesondere auch aus dem Westen (Hilarius von Poitiers, Damasus von Rom, Ambrosius von Mailand), die vollständige Gottheit des Sohnes infrage. So etikettierten sie diese Homöer als neue Arianer und sollten sich letztendlich damit durchsetzen. Nachdem also zwischen 359 und 379 für etwa 20 Jahre das homöische Bekenntnis eine reichsweite Richtschnur gewesen war, wurde es durch die sogenannte "neunizänische Wende" auf den Synoden von Konstantinopel 381-383, Rom 382 (Damasus von Rom) und Aquileia 381 (Ambrosius von Mailand) als häretisch verworfen. Eine Differenzierung der von den Homöern zuvor verworfenen, nun wieder aufgegriffenen philosophischen Begrifflichkeit half: Nun wurde zwischen der einen Usia (bezogen auf das eine Wesen Gottes) und den drei Hypostasen (bezogen auf Vater, Sohn und Heiligen Geist) unterschieden. So konnte sowohl die Einheit Gottes als auch die zu Gott, dem Vater, gleichwertige und gleichrangige volle Gottheit des Sohnes und des Heiligen Geistes bewahrt werden, ohne die Besonderheit der drei Personen aufzulösen. Denn nur der Sohn Gottes wurde Mensch (Inkarnation), nicht der Vater; aber seine Menschwerdung darf nicht dazu verleiten, seiner Gottheit eine dem Vater untergeordnete, nur zweitrangige Qualität zuzuschreiben.
Interessanterweise wurde die homöische Tradition durch eine historische Zufälligkeit das christliche Bekenntnis der Westgoten und der anderen Nachfolgereiche des Römischen Reichs (Ostgoten, Burgunder, Vandalen, Sueben). Das führte zur Fortsetzung der Debatte bis zum Ende des 6. Jh.
Die Keimzelle dieses homöischen Christentums war eine kleine gotische Gruppe, angeführt von Wulfila, einem Nachfahren von aus Kappadokien verschleppten Christen. Er wurde zum Bischof für Gothien geweiht. Zur Zeit des Kaisers Konstantius konnte sich diese Gruppe nach Anfeindungen in ihrer Heimat auf römischem Reichsboden in der Provinz Moesia inferior, heute Bulgarien/Rumänien, niederlassen. Sie schlossen sich der in den Donauprovinzen stark vertretenen Gruppe der Homöer an; Wulfila selbst nahm auch an der homöischen Synode in Konstantinopel (360) teil. Durch seine Bibelübersetzung, für die er überhaupt erst eine gotische Schriftsprache entwarf, wurde dieses gotische Christentum an die sich bildenden Verbände der West- und Ostgoten, und durch sie auch die Burgunder, Sueven und Vandalen, vermittelt. Selbstbewusst lehnten sie dann den "Neunizänismus" als eine neue Häresie der "Wesenseiner" (Homousianer) ab. Die Homöer in den Nachfolgereichen waren über dies reichsrechtlich von den neuen Häretikergesetzen (Verbot, sich zu treffen, Gottesdienste zu feiern, Kirchengebäude und anderen Besitz zu haben) nicht betroffen. Ihnen schlossen sich auch die inzwischen illegal gewordenen sonstigen Homöer an. Sie verteidigten den aus ihrer Sicht korrekten und traditionellen Glauben der Synode von Rimini 359: Für sie ist der Sohn, da vom Vater gezeugt, dem Vater gleich (similis). Er hat eine eigene, dem Vater untergeordnete Existenz - und wenn die Nizäner von einer "Identität" (aequalitas) des Sohnes mit dem Vater reden, heben sie diese selbstständige Existenz der göttlichen Personen auf. beibehalten, während die Neunizäner zu nehmend "Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist" bevorzugten, um jegliches Missverständnis einer Subordination der göttlichen Personen auszschließen. Außerdem pflegten die Homöer bei Konversionen die Praxis der Wieder taufe, wogegen die Nizäner konvertierte Homöer durch einfache Handauflegung in die Gemeinschaft aufnahmen.
Im Alltag waren diese theologischen Differenzen allerdings kaum bemerkbar. Keiner Kirche oder keinem Baptisterium (Taufkapelle) war "Arianismus" baulich anzusehen. Nur in der Liturgie hatten die Homöer die traditionelle Form "Ehre sei dem Vater durch den Sohn im Heiligen Geist" beibehalten, während die Neunizäner zunehmend „Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist“ bevorzugten, um jegliches Missverständnis einer Sub ordination der göttlichen Personen auszuschließen. Außerdem pflegten die Homöer bei Konversionen die Praxis der Wieder taufe, wogegen die Nizäner konvertierte Homöer durch einfache Handauflegung in die Gemeinschaft aufnahmen.
Diese homöische Tradition konnte also sowohl als eine "römische" als auch eine hinreichend eigenständige und vorgeblich ältere und biblischere Version des Christentums gegenüber der (neu-)nizänischen Neuerung der 380er-Jahre Potenzial entwickeln. Dabei wurde eine eigene Identität mit einem Selbstverständnis, Erbe des Römischen Reichs zu sein, verbunden.
Wenn den Goten, Burgundern, Sueven und Vandalen von nizänischer Seite durch Ambrosius von Mailand, Augustinus, Avitus von Vienne und Fulgentius von Ruspe bis Gregor von Tours "Arianismus" vorgeworfen wurde, stellten sie damit nur pole misch eine Beziehung zum historischen Arius her, ohne dass diese Homöer sich selbst je auf ihn berufen haben oder theologiegeschichtlich auf ihn zurückzuführen sind. So war Arius nur zu Beginn des "arianischen" Streits um die Trinität von Bedeutung. "Arianismus" blieb dagegen als unscharfes Häretiker-Etikett präsent. Erst die militärische Niederlage der Vandalen gegenüber den Truppen Justinians 534 und die Konversion des Westgotenherrschers Rekkared 587 brachte die Debatte zum Erliegen.
ZUR PERSON:
Uta Heil ist Universitätsprofessorin am Institut für Kirchengeschichte, Christliche Archäologie und Kirchliche Kunst der Evangelisch Theologischen Fakultät der Universität Wien.