Der Verein der FREUNDE der THEOLOGISCHEN KURSE sieht es als seine Aufgabe, die THEOLOGISCHEN KURSE in ihrer Arbeit zu unterstützen.
Erschienen in: theologie aktuell | Ausgabe 3 - Jahrgang 2024/25
Wie lange lehren Sie schon bei den THEOLOGISCHEN KURSEN?
Ich lehre seit 1989 bei den Theologischen Kursen. Neben Semesterkursen habe ich auch regelmäßig Wochenendveranstaltungen im Bildungshaus St. Georgen am Längsee, in Kärnten, gehalten sowie immer wieder als Neutestamentler zu themenspezifischen Veranstaltungen in Wien Beiträge geleistet. Seit einigen Jahren gehöre ich nun auch dem Kuratorium der Theologischen Kurse an.
Was ist Ihnen im Theologischen Kurs in Ihrem Fach besonders wichtig?
Mir ist die Verbindung von Glauben und Wissen ein großes Anliegen. Häufig empfinden Teilnehmer*innen zu Beginn eines Kurses einen wissenschaftlichen Zugang zur Bibel als Gefährdung ihres Glaubens. Den Prozess zu begleiten, dass diese neuen Perspektiven die Texte tiefer erschließen als bisher und das zu einer Reifung des persönlichen Glaubens beiträgt, ist zentral für mich.
Haben Sie selbst beim Lehren im Theologischen Kurs auch neue Einsichten gewonnen?
Es fasziniert und bereichert mich immer wieder, wie stark Teilnehmer*innen biblische Texte in ihr Leben hineinnehmen und dort wirken lassen. Diese lebendige Kraft der Bibel neben einem berufsbedingten wissenschaftlichen Zugang wieder stärker wahrzunehmen, habe ich öfter in den Kursen erlebt und als Impuls empfunden.
Welche Erfahrung bei den Theologischen Kursen haben Sie in besonders guter Erinnerung?
Immer wieder beeindruckt mich das drängende Suchen der Teilnehmer*innen nach einem gereiften eigenen Glauben, der nicht in Kindheitsvorstellungen steckengeblieben ist.
Welche theologische Frage beschäftigt Sie zurzeit am intensivsten?
Die zeitgemäße Übersetzung des Evangeliums. Es fasziniert mich, mit welcher Kreativität schon die biblischen Autoren wie auch die Alte Kirche der ersten Jahrhunderte auf die damalige Gesellschaft, deren Denkkategorien und kulturellen Werte etc. zugegangen ist, um das Evangelium verkünden zu können, und bleibe etwas rat- Enormer Spannungsbogen der Bibel Martin STOWASSER im Gespräch los, warum die katholische Kirche der Gegenwart so zögerlich, ja oft mutlos an diese Herausforderung herangeht.
Von welcher/welchem Theologin/Theologen haben Sie am meisten gelernt?
Ich kann das in solcher Zuspitzung eigentlich nicht beantworten. Ich beschäftige mich mit Studium und Beruf als Neutestamentler über 45 Jahren mit Theologie und lerne bis heute immer wieder neue spannende Themen und Zugänge kennen, die mich faszinieren und zum Weiterdenken anregen.
Ihre aufregendste Bibelstelle?
Das Faszinierende an der Bibel besteht für mich in ihrem enormen Spannungsbogen. Deshalb würde ich zwei Zitate nebeneinander stellen, die mich oft zum Nachdenken gebracht haben: Koh 9,4: „Ein lebender Hund ist besser als ein toter Löwe.“ Kohelet stemmt sich dem theologischen „Modernismus“ seiner Tage entgegen, dem Glauben an die Auferstehung, und betont die traditionelle Diesseitigkeit im Glauben Altisraels. Kohelet hat es in den christlichen Kanon der Bibel geschafft, in dem die Auferstehung der Toten zentrales Hoffnungsgut ist und Paulus im Korintherbrief geradezu die Gegenposition zu Kohelet formuliert: „Wenn Tote nicht auferweckt werden, dann lasst uns essen und trinken; denn morgen sterben wir.“ (1 Kor 15,32) An diesem Beispiel zeigt sich die immer wieder auftauchende Herausforderung, wie man in religiösen Bewegungen mit Neuerung und Pluralität umgeht.
Welches Buch lesen Sie gerade?
Norbert Gstrein, Der zweite Jakob. – Ich verlasse mich bei Belletristik seit langem auf die Ratschläge aus meinem Freundeskreis und erlebe immer wieder spannende Neuentdeckungen.
Welche Musik hören Sie gerne?
Ich höre eigentlich alle Musikrichtungen gerne.
Was machen Sie am liebsten in Ihrer Freizeit?
Zeit mit der Familie verbringen, Freunde treffen, Wandern und Sport, Lesen und Theater. Ein spezielles Hobby habe ich nicht.
Wo fühlen Sie sich kirchlich zu Hause?
Dort, wo Kirche sich sozial, karitativ und in diesem Sinn „politisch“ engagiert.
Mit wem würden Sie gerne einmal einen ganzen Tag verbringen?
Da ich Neutestamentler bin, würde ich gerne einmal einen Tag mit einem Menschen der Antike verbringen. Mich würde es interessieren, wie Christen des 1. Jahrhunderts, als unser Neues Testament entstanden ist, diese Texte in ihrem Weltbild verstanden haben.
Welches Ziel wollen Sie noch erreichen?
Ich bin gesund und glücklich 65 Jahre alt geworden. Die restlichen Jahre eines Lebens sind noch mehr als schon die davor ein Geschenk, es vernünftig zu nutzen war und bleibt mein Ziel.
Herzlichen Dank für Ihre Antworten!
Zur Person: Dr. Martin STOWASSER, geb. 1959, ist a. o. Univ. Prof. für Neutestamentliche Bibelwissenschaft an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien. Nach dem Studium in Rom und Wien hat er sich 2001 für das Fach Neutestamentliche Bibelwissenschaft habilitiert. Er ist Mitglied in internationalen wissenschaftlichen Gremien und Autor zahlreicher Publikationen zu den Schriften des Neuen Testaments; einige seiner exegetischtheologischen Kommentare der Evangelientexte für die Sonntage und Hochfeste sind unter www.perikopen.de nachzulesen. Seit vielen Jahren lehrt er bei den THEOLOGISCHEN KURSEN Neues Testament.